Erwachsene Kinder

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Eine Frau, Ende vierzig in dezent gemusterter Bluse, den blauen Pullover über die Schultern gelegt und vor dem Brustbein verknoten, sitzt mit einem etwa gleichaltrigen Mann mit silbernem Haar, kleinkariertem grauen Hemd und Brille beim Mittagssnack.

Sie: Wir fliegen von Köln-Bonn über London nach San Fransico. Finn hat da einen Freund aus Australien. Da sind wir dann drei Tage lang, dann 20 Tage im Yosemite National Park und so weiter. Also jedenfalls fünf verschiedene Nationalparks. Ich weiß nicht genau, wie die heißen. Finn hat einen SUV gemietet, der ein Dachzelt hat und einen Innenschlafraum. Unter der Heckklappe ist eine multifunktionale Bordküche. Ich habe ja keine Outdoor-Erfahrung. Ich denke, es ist gut, dass ich Sport mache, joggen gehe, dass ich fit bin.

Er: Ich habe von den USA gar keine Ahnung. Zu Camping in Deutschland kann ich dir etwas sagen.

Sie: Mein Vorteil ist, dass mein Jüngster super vorbereitet ist. Der hat eine Plan, eine Route, alles. Ich bin das erste Mal drei Wochen am Stück weg. Das wird nicht ganz preiswert. Finn sagt auch: „Mama, dann gibt es eben drei Wochen Beans und Spaghetti.“ Wenn wir wandern gehen, müssen wir die Vorräte in bärensichere Schließfächer tun.

Er: Der klopft dann einfach ans Fenster, oder was?

Sie: Ne, der soll angeblich nicht kommen, wenn man da ist.

Er: Weiß der Bär das?

Sie: Finn sagt: „Mama du nervst, das ist der weltweit meistbesuchte Nationalpark. Da passiert doch nichts.“

Er: Er hat wahrscheinlich recht. Das Einzige, was passieren kann, ist, dass es abends langweilig wird.

Sie: Ich befürchte, dass wir abends nach dem Programm so platt sind, dass uns das aus nichts ausmachen wird. Ich nehme ein kleines Notfallpaket mit, denke ich.

Er: Blasenpflaster sind immer gut.

Sie: Ich denke, dass Wasser das Wichtigste ist.

Er: Mein Tipp: Immer weniger mitnehmen, als man meint.

Sie: Ich habe eine Mischung aus Reisetasche und Koffer. Ich war bei Globetrotter und habe mich beraten lassen, was ich als Handgepäck und Daypack nehmen kann. Ich habe da einen Rucksack gesehen. Das sind so Kleinigkeiten, die vorbereitet werden müssen. Ich bin froh, dass keine Animositäten zwischen den Geschwistern gibt. Die anderen sagen: „Mama, mach das.“ Das ist schon schön, mit dem eigenen Sohn unterwegs zu sein. Auf der anderen Seite fühle ich mich unsicher. Er hat mir einen Trail gezeigt, da muss man Reisetabletten gegen den Schwindel mitnehmen, so steil geht es seitlich hinab. Ich habe gesagt: „Da gehe ich nicht lang“.

Er: Er muss akzeptieren, dass er auch allein gehen oder sich mit anderen zusammentun muss.

Sie: Was mich beruhigt, ist, dass er kein Greenhorn ist. Er hat für sein Alter schon viel Erfahrung. Er fotografiert gerne, auch spektakulär. Das sehe ich mit gemischten Gefühlen. Mit mit den Kindern vereisen und die lehnen sich irgendwo drüber, um spektakuläre Fotos zu machen: Das kann ich mir immer noch nicht anschauen. Mit den Ältesten war ich spontan an diesem See in Italien, wo Christo seine Installation gemacht hat. Das war großartig. Allein mit den Kindern unterwegs: Das waren zwei sehr intensive Tage. Ist Lara eigentlich zurück?

Er: Ja, genau.

Sie: Und, die Reintegration ist immer etwas schwierig, oder? Das habe ich bei meinen gelernt.

Er: Ja, da ist schon eine gewisse Traurigkeit. Sie hat das so erklärt: Sie hat sich dort ein Leben aufgebaut, das musste sie jetzt verlassen. Sie weiß nicht genau, was machen sie soll, überlegt Sonderpädagogik zu studieren, macht aber erst mal Praktika.

Sie: Meine beste Schulfreundin, die in Kiel lebt, ist Sonderpädagogin und nur am Jammern: „Während ich vorher am Kind und mit dem Kind gearbeitet habe, sitze ich hier in den Klassen.“ Sie hält gar nichts von der Inklusion, solange die richtigen Strukturen nicht geschaffen werden.

Er: Ich versuche immer, Lara dahingehend zu beraten, dass sie sich in Richtung Regelschule orientiert. Aber davon will sie nichts wissen.

Sie: Vielleicht wird sie später noch wechseln. Für Sonderpädagogen ist es heute unheimlich schwer.

Er: Sie hat in ihrem Sozialen Jahr jetzt Erfahrungen gemacht. Sie sagt: „Ich kann das, ich kann mir das zutrauen.“ Es war natürlich sehr familiär dort, kein Work and Travel oder so. Lara braucht Strukturen, Menschen, die sie kennt. Das hatte sie dort, ein Nest.

Sie: Und der Paul?

Er: Der hat noch zwei Schuljahre.

Sie: Ach ja, nochmal Abifeier und das alles. Ich dachte, du wärst damit schon durch.

Er: Grrr, da freue ich mich jetzt schon drauf

Sie: Aber ihr macht mit ihm gemeinsam was, in den Ferien?

Er: Ja, ich denke schon.

Sie: Ich habe jetzt in Barcelona meine erste Hostel-Erfahrung gemacht. Ich habe mich vorher immer gefragt, was meine Kinder daran finden. Das Zusammentreffen mit anderen Leuten, Englisch als allgemeine Sprache, ein Netzwerk, von dem du zum Teil auch später noch was hast: Das ist schon toll. Du sitzt mit anderen an Tischen, kommst ins Gespräch. Das ist ganz anders als im Hotel. Dabei kommt gar nicht so sehr aufs Geld an, es ist ein Teil des Urlaub für die jungen Leute. Es geht mehr darum, über den Tellerrand zu blicken. Das war wirklich auch ein super Hostel. Pia meinte: Deine erste Erfahrung und dann direkt im Luxushostel!“ Das war trotzdem spottbillig.

Er: Ich bin auch nicht viel rumgekommen. Jedenfalls überlegen wir jetzt, ob wir umbauen. Wir richten Lara ein neues Zimmer ein, wenn sie noch ein paar Jährchen bleibt.

Sie: Das würde ich nicht forcieren. Es kann sein, dass sie schnell merkt, das die Fahrzeit nervt oder sie möchte auch mehr Teil der Studenten sein. Seitdem der Julius ein WG-Zimmer hat, ist das für ihn ein ganz anders Leben, mit den anderen vor Ort. Ich glaube, das ist auch gut für die Kinder, aber natürlich mit Kosten verbunden.

Er: Mal sehen, ich könnte die Kinderetage natürlich auch als Hostelzimmer vermieten.

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