Die Garage

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Zwei alte Frauen, nennen wir sie Lore und Grete, die eine mit kurzen weißen, die andere mit kurzen aschgrauen Haaren, sitzen vormittags bei Lachsbrötchen, Rührei und Sekt zusammen.

Lore: Komm, iss noch ein bisschen Rührei!

Grete: Danke, ich bin schon satt. Diesmal sind die Eier aber besser als beim anderen Mal. Also, nur dazusitzen und Kaffee zutrinken, wie bei Thomas und Annemarie, das kann ich auch zuhause.

Lore: Ja, und immer dieses Reden über andere. Das ärgert mich – über die Männer, weißt du, so primitiv.

Grete: Aber ich glaube, die haben gemerkt, dass ich nicht so viele Antworten gegeben habe.

Lore: Ich habe mit meinem Sohn Horst gesprochen. Der fragte: „Mama was machst du denn in diesem Jahr im Urlaub?“ Ach, ich habe soviel von der Welt gesehen, ich brauche mit meinen fast 80 Jahren nicht mehr durch die Welt reisen. Wie es aussieht, kann er dieses Jahr aber auch nicht fahren. Er hat eine Geschäftsumstellungen. Der hat ja 161 Mitarbeiter.

Grete: Mein Mann war nicht Chef, aber ich kenne das von seiner Arbeit. Das ist nicht so einfach, du musst auch den Kopf dazu haben.

Beide beißen in ihre Lachsbrötchen und schweigen.

Grete: Es ärgert mich jedes Mal, wenn ich bei denen bin: diese ganzen Besprechungen. Das geht die alles nichts an.

Lore: Mein Sohn Horst stellt öfter sein Auto in meiner Garage ab. Da muss ich Helene ein großes Kompliment machen. Sie würde niemals fragen: „Warum braucht der Horst deine Garage?“ Annemarie und Thomas: Die fragen.

Grete: Aber der Thomas bestimmt ja über Annemaries Kopf hinweg. Wenn mein Mann noch am Leben wäre, der würde sich ärgern.

Lore: Selbst ich frage den Horst nicht. Wenn er sagt: „Mama, ich brauche die Garage“, dann ist das okay.

Grete: Du musst Vertrauen haben.

Lore: Er hat nur zu mir gesagt: „Mama, ich weiß, du hast Vertrauen zu mir, ich mache nichts Unrechtes.“

Grete: Das ist das Wichtigste.

Lore: Sein Depot ist ja in Godesberg, der kommt quasi bei mir vorbei. Er muss auch oft nach Rostock. Er fährt dann mit dem Zug oder Flugzeug. Dann stellt er das Auto in meine Garage. Was geht sie das an?

Lore: Und wenn meine Enkel kommen, fragen Thomas und Annemarie: „Warum sind deine Enkel wieder da?“

Grete: Das machen sie nur, weil sie zu ihnen nie kommen oder nur zum Geldabholen. Oder diese Frage immer bei mir: Kommen deine Kinder nicht? Die mag ich nicht.

Lore: Wir waren Familienmenschen. Aber bei denen siehst du das nicht. Dann kannst du auch nicht erwarten, dich mit denen vernünftig zu unterhalten. Das kannst du ja auch an Helene und Annemarie sehen.

Grete: Was kannst du über diese Freundschaft sagen? Das ist Ausbeutung, keine Freundschaft. Helene ist mit ihr ins Krankenhaus gefahren. Was hat sie bekommen? Ein Dankeschön?

Lore: Helene hat sich darüber auch mal bei mir beschwert. Aber ich rede da ja nicht drüber.

Grete: Sie könnte ihr einen großen Blumenstrauß schicken, so arm ist sie nicht, aber Lotte: Die kennen das von Zuhause aus nicht! Ich brauche jedenfalls von denen keine Hilfe! Das wäre für mich Bettelei.

Lore: Ich rufe meine Tochter Klara immer morgens an, und meinen Sohn Horst abends.

Grete: Das wünsche ich mir auch. Das fehlt mir: solche Besprechungen, wie jetzt mit dir.

Lore: Ich konnte ja die letzten Jahre mit meinem Mann nicht mehr sprechen, aber er saß wenigsten da und hielt meine Hand.

Grete: Schon komisch, dass die Männer alle früher gehen als die Frauen, oder?

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